Die Evakuierung Warschaus

Nachdem Warschau im Spätjahr 1944 von den deutschen Besatzern nahezu dem Erdboden gleichgemacht worden war, wurden sämtliche Bürger, die die Straßen- und Häusergefechte überlebt hatten und den Erschießungen bis dahin entgangen waren, von den Deutschen verschleppt. Von dieser Evakuierungsmaßnahme stammen die Erinnerungen ehemaliger Häftlinge des KZ Mannheim-Sandhofen.

J. Czuj, ehemaliger Häftling:

Wir haben gesehen, dass sie am Anfang der Straße Handgranaten in die Häuser reingeschmissen haben. Dann haben wir versucht noch Sachen zu retten. [...] Wir durften nur das mitnehmen, was ins "Handgepäck" ging. Meine Mutter hatte Wäsche ausgeräumt, ein Bettlaken drumgewickelt [...] dann ist unser Haus angezündet worden, wir wurden fortgetrieben, die ganze Straße [...]

J. Wojciewski, ehemaliger Häftling am 05.09.1989:

Ich war als Soldat der Heimatarmee im Umland von Warschau tätig. Wir transportierten Munition und Waffen nach Warschau. Bei der Rückkehr von einem dieser Transporte wurde ich verhaftet und in die Wolska-Straße zum Verhör gebracht. Man wollte wissen, ob ich ein "Partisan", ein "Bandit", wie sie sagten, sei. Obwohl ich geschlagen wurde und mir auf der einen Seite alle Zähne herausgeschlagen wurden, habe ich nichts zugegeben.

Zahlreiche Gefangene hatten sich während des Warschauer Aufstandes der polnischen Untergrundarmee angeschlossen und für die Befreiung ihres Landes gekämpft. Um nicht sofort von den Deutschen erschossen zu werden, mussten sie sich jedoch vor ihrer Verhaftung ihrer Armeekleidung entledigen.

 E. Szobski, ehemaliger Häftling:

Wer auch nur ein Stück Armeekleidung trug, wurde in die Ecke gezogen und erschossen.


Das Durchgangslager Pruszków

Alle, die dieser Evakuierungsmaßnahme zum Opfer fielen, wurden in das Durchgangslager Pruszków gebracht. Vom 1. August bis 14. Oktober 1944 wurden so durch dieses Lager mehr als 350.000 Menschen geschleust. Viele wurden in Massentransporten zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt. Andere kamen in ein Konzentrationslager. Die Warschauer Bürger wurden in Frauen- und Männergruppen unterteilt, wodurch Familien auseinandergerissen wurden. Auch ihre Habseligkeiten, die sie in aller Eile noch mitgenommen hatten, mussten sie hergeben.

W. Jarocki, ehemaliger Häftling am 31.08.1989:

Während des Transports und auch später wanderten meine Gedanken immer wieder zu meiner Familie zurück. Was war mit meiner jungen Frau passiert, die während des Aufstandes verwundet worden war? Was mit meiner Mutter und meinen Geschwistern, die ebenso wie meine Frau festgenommen worden waren?


Aufenthalt in Dachau

Einer der Züge, die das Lager Pruszków am 9. September 1944 verließen, kam nach Tagen des Hungers und Durstes in Dachau an. Dort wurde den 3.000 polnischen, wahllos ausgesuchten Männern alles, was sie noch besaßen abgenommen, selbst das, was sie noch am Leib trugen. Dafür erhielten sie dünne Häftlingsanzüge. Sie waren von nun an für die SS lediglich noch Nummern, die für sie arbeiten mussten.

K. Zbrzeski, ehemaliger Häftling:

Nach einigen Tagen hat der Zug gehalten und wir waren an einer Rampe. An einem Schild konnten wir lesen "Arbeit macht frei". Wir wussten, wo wir waren. Wir wurden zum Appellplatz gebracht, dort standen wir einige Stunden. Dann wurden wir zum Waschen geführt, man hat uns unsere Zivilkleidung abgenommen und wir bekamen Häftlingskleidung mit einer Nummer.


Transport nach Mannheim-Sandhofen

Nach etwa einer Woche kamen Männer, die sich später als Mitarbeiter von Daimler-Benz herausstellten, nach Dachau und wählten Häftlinge für das Mannheimer Werk aus.

E. Majewski, ehemaliger Häftling am 02.09.1989:

Es war schon Abend, als die für den Transport nach Mannheim vorgesehenen Häftlinge gesammelt und in die Waggons verladen wurden. Es fiel sehr starker Regen und war sehr kalt. Ich bin als einer der ersten in den Waggon gekommen. Auf dem Boden lag Papier. Ich habe dann meine Kleidung ausgezogen und ausgewrungen, mich mit Papier bedeckt und später die trockene Kleidung wieder angezogen. So habe ich mich nicht, wie viele meiner Kameraden, erkältet.

Als die Häftlinge in Mannheim ankamen, mussten sie Kolonnen bilden und nach Sandhofen in ihre neue Unterkunft - die alte Schule - marschieren. Viele erkrankten wegen der eisigen Kälte und des Regens, aber auch weil die Häftlingsanzüge von Dachau nicht für den Herbst und schon gar nicht für den Winter ausreichend waren.

E. Majewski, ehemaliger Häftling am 02.09.1989:

Nach unserer Ankunft in Mannheim wurden wir wieder "ausgeladen". Kolonnen wurden gebildet, dann sind wir mit einer ziemlich großen Eskorte nach Sandhofen marschiert.

Da das KZ Natzweiler organisatorisch für die Arbeitskräfte bei Daimler-Benz zuständig war, wechselten die Häftlinge in dessen Bereich und erhielten nach Ankunft in Sandhofen neue Nummern.

(Siehe auch Biografien von Edward Majewski und Jerzy Kubicki.)