Feliks Ubfal, ehemaliger Gefangener des KZ Sandhofen

Feliks Ubfal, 03.11.1946 bei der Vernehmung durch einen amerikanischen Untersuchungsbeamten in Stuttgart-Degerloch übersetzt aus dem Englischen; NA, Daimler-Benz Bl.29.:

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An einem Tag im Januar 1945 kam ein SS-Obersturmführer oder Untersturmführer mit dem Namen Miller oder Müller ins Lager in Sandhofen. Zuerst glaubten wir, dass er den Lagerkommandanten ersetzen würde. Ungefähr um 17.00 Uhr kamen die Gefangenen von der Daimler-Benz-Fabrik, und wie üblich mussten wir uns zum Appell aufstellen. Nachdem wir gezählt worden waren, las der Obersturmführer oder Untersturmführer, der vor unserer Formation stand, Krainskis Häftlingsnummer von einem Blatt Papier ab, er nannte auch seinen Vornamen und Familiennamen und befahl ihm aus der Reihe herauszutreten. Als Krainski das tat und vor ihm stillstand, schlug ihm der SS-Offizier verschiedene Male ins Gesicht. Dann schlug er Krainski mit seinen Händen auf den Rücken. Zwei andere SS-Männer traten neben Krainski und begannen ihn mit Gewehrkolben zu schlagen. Wir übrigen standen noch in Formation, sie wurde dann aufgelöst und wir wurden in die Stuben geschickt [wörtl.: Barracken]. Krainski, der immer noch geschlagen wurde, wurde in die Latrine gesteckt, wo die SS-Leute ihm befahlen hinzuknien und wo er viele Male geschlagen wurde. Er bekam zwei Tage lang nichts zu essen. Am zweiten oder dritten Tag sah ich Oberscharführer Ahrens ein Seil an einem Baum im Lagerhof befestigen. Das war ungefähr um 10 Uhr morgens. Dann um ein Uhr mittags sah ich, wie sich auf dem Hof Leute versammelten. Da waren einige Leute von Daimler-Benz, ich kann nicht sagen wer, und diejenigen Gefangenen, die an diesem Tag im Lager waren [etwa 30]. Die Gefangenen mussten im Hof antreten. In diesem Moment wurde Krainski von einzelnen SS-Leuten hergebracht. Ahrens und Müller waren ebenfalls da. Zu einem bestimmten Augenblick trat ein Hauptscharführer heraus und las die Beschuldigungen und das Urteil auf Deutsch von einem Blatt Papier. Dann wurden die Beschuldigungen und das Urteil durch den Lagerältesten auf Polnisch vorgelesen. Da ich Deutsch verstehe, verstand ich, dass Krainski im Namen des Dritten Reiches wegen Sabotage zum Tode durch Erhängen verurteilt wurde. Ahrens befahl dann einem polnischen Gefangenen, einen Tisch zu bringen. Nachdem das geschehen war, stellte Ahrens mit Hilfe von zwei anderen Krainski auf den Tisch und legte ihm die Schlinge um seinen Hals. Dann musste ein polnischer Gefangener den Tisch unter Krainskis Füßen wegziehen. Krainski hing ungefähr fünf Minuten. Dann wurde das Seil abgeschnitten und ein deutscher Militärarzt stellte seinen Tod fest.

Der Name Müller stand unter dem Hinrichtungsbefehl, deshalb hielten die Häftlinge das wahrscheinlich für den Namen des anwesenden SS-Offiziers. Tatsächlich unterzeichnet hatte das Todesurteil aber der SS-Gruppenführer Müller, Chef des Amtes IV im Reichssicherheitshauptamt.


Piotr Horowicz, ehemaliger Gefangener des KZ Sandhofen

Piotr Horowicz, 02.11.1946 bei der Vernehmung durch einen amerikanischen Untersuchungsbeamten in Schwäbisch Hall übersetzt aus dem Englischen; NA, Daimler-Benz Bl.32.:

Ein polnischer Arbeiter mit Namen Krainski arbeitete an einer Drehbank in der gleichen Halle, in der ich arbeitete. Ich kannte ihn persönlich. Eines Tages im Winter 1944, als ich im polnischen Lager in Sandhofen [Deutschland] war, in dem wir einquartiert waren und verpflegt wurden, erfuhr ich von meinen Kollegen, dass an diesem Tag Krainski in einen sehr unangenehmen Zwischenfall verwickelt worden war. Er arbeitete an einer Drehbank und schliff Achsen und 30 von den Achsen die er geschliffen hatte, waren zu klein. Von der Firmenleitung wurde darüber ein Bericht angefertigt und nach Berlin geschickt. In diesem Bericht wurde er der Sabotage beschuldigt. Später, beim Morgen- und Abendappell im Lager, hörte ich, wie der Lagerführer, Oberscharführer Ahrens zweimal zu Krainski sagte, dass er vorsichtig sein sollte, weil es schlimm mit ihm ausgehen könnte, da ein Bericht über ihn gemacht worden sei, in dem er der Sabotage beschuldigt worden sei. Das war alles für den Augenblick. Krainski ging weiter jeden Tag mit uns zur Arbeit. Aber ich erinnere mich nicht, ob er an der gleichen Maschine arbeitete oder wo anders. Ungefähr zwei Wochen vergingen, ohne dass etwas geschah. Als wir dann eines Abends nach der Arbeit im Lager ankamen, bemerkten wir beim Abendappell einen neuen SS-Offizier. Er stand neben Oberscharführer Ahrens und zog zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Papier hervor, las Krainskis Häftlingsnummer vor und befahl ihm aus den Reihen herauszutreten. Nachdem Krainski das getan hatte, schlug ihm der neue SS-Offizier mehrmals ins Gesicht, danach legte Ahrens Krainski Handschellen an, anschließend kamen zwei SS-Leute kamen und führten ihn weg. Der Appell wurde aufgelöst. Am gleichen Abend kam der SS-Offizier mit Ahrens nach dem Abendessen in unsere Stube und sagte, dass er aus Berlin mit dem Hinrichtungsbefehl für Krainski gekommen sei. Er las dann den Befehl vor, welcher besagte, dass Häftling Nummer so und so, dies war Krainskis Nummer, wegen Sabotage in der Daimler-Benz-Fabrik zum Tod durch Erhängen verurteilt sei. Die Hinrichtung sollte am nächsten Morgen stattfinden. Der Befehl war unterzeichnet mit Untersturmführer Müller. Nachdem er den Befehl vorgelesen hatte, stellte der SS-Offizier fest: Wenn jemand von uns Sabotage begehen würde, dann würde er auf dieselbe Weise bestraft werden. Später in der Nacht erzählten mir einige von meinen Arbeitskameraden, dass sie von einem SS-Mann erfahren hatten, dass der Untersturmführer, der uns den Befehl vorgelesen hatte, derselbe Müller sei, dessen Unterschrift am Ende des Befehls stand. Ich erfuhr ebenso, dass Krainski durch die SS gezwungen worden sei, die ganze Nacht hindurch bis zur Exekution zu knien. [...] Müller ging am Tag der Hinrichtung wieder weg und wir hörten nie wieder von ihm. [...] Am Tag nach der Hinrichtung erzählte mir ein Freund, dass Ahrens zu den Häftlingen eine Bemerkung mit dem Inhalt gemacht hatte, dass Krainskis Fall nicht fair behandelt worden sei, weil es keine Untersuchung gegeben habe.


Rosa Hagen, Leichenschauerin in Sandhofen

Rosa Hagen, Aussagen vor der deutschen Polizei 1945, NA/DBAG, Bl.114; Ihre Aussage liegt in einer englischen Fassung vor, wurde ins Deutsche rückübersetzt:

Am 3.1.45 traf ich Alken. [= SS-Offizier im Lager] [...] Alken erzählte mir, dass am 4.1.45 um 6 Uhr ein Pole hingerichtet würde und dass ich den Leichenwagen holen müsste. Als ich im 6 Uhr zur Knabenschule [Friedrichschule] kam, sagte mir Alken, dass die Hinrichtung verschoben worden sei, und dass er ... zur Firma Daimler-Benz fahren würden, um die Männer zu holen, die die Sache veranlasst hätten, denn sie müssten auch anwesend sein. Ahrens [= der damalige Lagerführer] sprach mich auch selber an. Er sagte, dass das eine übertriebene Sache sei, der Pole sei möglicherweise unschuldig, es sei vielleicht ein Versehen gewesen, ein unglückliches Zusammentreffen. Die Hinrichtung fand um 11.25 Uhr statt. Ein Unterarzt vom Fliegerhorst Sandhofen war anwesend. Alken sagte mir, dass der Unterarzt sich hatte entschuldigen wollen, um der Hinrichtung zu entgehen, aber er musste anwesend sein. Alken, der den Urteilsspruch vorlesen musste, sagte mir nach der Hinrichtung, dass der Pole mutig zum Baum hochgestiegen sei, er starb wie ein Freiheitskämpfer.


Philipp Wacker, Hausmeister der Friedrichschule

Philipp Wacker, Aussage vor der deutschen Polizei 1945, NA/DBAG Bl.113; Seine Aussage liegt in einer englischen Fassung vor, wurde ins Deutsche rückübersetzt:

Der polnische Gefangene wurde im Januar 1945 im Schulhof der Schule erhängt. Die Hinrichtung wurde durch einen jungen SS-Offizier geleitet, dessen Name ich nicht weiß. Dieser Mann war wahrscheinlich der Nachfolger von Kommandant Waldmann, denn ich sah ihn nur während der Hinrichtung. Danach ging er weg. Soweit ich weiß, brachte er einen Arzt mit. Diesen Arzt sah ich später nicht mehr. Von der Hinrichtung erfuhr ich eine Stunde vorher. Ich erinnere mich nicht, wer mir das sagte. Ich stand auf dem Schulhof ungefähr 20 m vom den Hinrichtungsplatz entfernt, mit dem Auftrag, neugierige Kinder wegzutreiben. Den Namen des hingerichteten Polen kenne ich nicht.


Jan Szeliga, Warschau

Jan Szeliga, Brief vom 10.03.1991:

Betreffend die Hinrichtung:
Als der Lager in der Mädchenschule untergebracht war, erhielten wir eines Tages - an das Datum erinnere ich mich nicht - den Befehl, uns auf dem Appellplatz zu versammeln. Nach einer Weile kam ein SS- Offizier in Begleitung unseres Kommandanten, des Lagerältesten und einiger SS-Männer und las irgendein Schreiben vor, er nannte dabei den Namen eines Häftlings. Nach der Verlesung dieses Schreibens wurde dieser Häftling in das Gebäude geführt (später stellte sich heraus: in den Keller). Nach einiger Zeit übersetzte irgend jemand den Inhalt dieses Schreibens, und wir erfuhren, dass dieser Häftling durch einen Urteilsspruch in Berlin wegen Sabotage zum Tod verurteilt war und erwähnte, dass dieser Häftling in der Fabrik als Dreher bei der Herstellung von Kurbelwellen (Teile des Autos) arbeitete und er eine gewisse Anzahl von ihnen verschliffen habe. In dieser Zeit war ich krank und von der Arbeit befreit (so genannte "Bettruhe"). Am folgenden Tag wurden wir Kranken mitgenommen und zum früheren Lager in der Schule [Friedrichschule] geführt. Wie das geschah, daran erinnere ich mich nicht. Ich erinnere mich jedoch an die folgenden Ereignisse: Wir stehen auf dem Schulhof (Appellplatz), neben mir stehen noch ein oder zwei Häftlinge, weiter ist da der Unterscharführer ("Faja") mit einem SS-Offizier mit weißer Schürze und zwei oder drei SS-Leute aus unserem Lager, da ist auch der Lagerälteste ("Brillenschlange"). Alle stehen unten [...] beim Eingang in der Mitte des Gebäudes. Auf dem Appellplatz neben einem Baum stand ein Tisch, auf ihm stand der Häftling, der am vorangehenden Tag eingesperrt worden war [...]. Er sah aus wie eine Kleiderpuppe, die ganze Zeit hindurch sagte er nichts und bewegte sich nicht. An den weiteren Verlauf der Ereignisse erinnere ich mich nicht, bis zu dem Moment, als der Häfling auf dem Boden lag und sich der SS-Offizier mit der weißen Schürze über ihn beugte um zu überprüfen, ob der Häftling schon tot war. Wenig entfernt bei der Treppe [...] stand der Lagerälteste ("Brillenschlange") und wischte sich [...] mit einem Taschentuch die Tränen ab. Er weinte, was mich stark befremdete. Dies sah auch der zweite Häftling, der neben mir stand. An den weiteren Verlauf des Geschehens erinnere ich mich nicht.


Katharina Wehe, damals Kriegerstraße

Katharina Wehe, 05.08.1982:

Wie das war, als der aufgehängt worden ist, das kann ich ganz genau sagen. Ich habe auf der Polizeiwache geputzt, das war dort oben, wo jetzt die Endschleife [...] der Straßenbahn ist. Ich bin frühmorgens hingekommen. Ich musste an den Zellen vorbei an meinen Raum, wo der Besen und der Eimer waren, da musste ich dort vorbei. "Ach Gott!", habe ich gedacht, "Was issen des?" "Memememe..." hat es immer gemacht. Das konnte ich nicht verstehen, was das sein sollte. Da hatten wir einen Polizisten gehabt, der hat Strobanski geheißen, der war aus Polen. Da sage ich, - ich war per du mit denen: "Sag emol, was henn er denn do inne fer on hocke? Is der vollgesoffe, do drin?" Darauf hat der gesagt: "No, Kättsche, des is äner von de Häftling. Den henn se vorher gebrocht." Habe ich gesagt: "Jo warum is denn der jetzt bei eusch oigsperrt?" Sagt der: Ja weescht, der soll ufghängt were." "Geh fort!", habe ich gesagt, " Halt dei Maul, du spinnsch! Was wolle se den Mann denn ufhenke?" Und darauf sagt er: "Doch!" "Ach Gott! Des kann isch gar net glawe!" Ich konnte dort doch gar nicht reingucken, der Spion ist so hoch gewesen, und da hat er gesagt: "Geh mol her, isch weis dir'n!" Und da hat er mich so gefasst und hat mich in die Höhe gehoben. Ach Gott, hat der dringesessen und auf dem Boden gekniet und hat immer wieder so gemurmelt. Da habe ich gesagt: "Warum murmelt denn der so?" Sagt der: "Des kann isch dir sage. Isch hew en ach gfrogt, no hot er gsagt: Er bet fer soi Kamerade, dass es dene net so geht wie ihm, dass die´s besser henn wie er." Da habe ich gesagt: "Ja warum henn se denn den gebrocht?" Darauf hat er gesagt: "Kättsche, bestimmt kann isch der's a net sage. Awwer so wie isch ghört hew, soll er hunnertzehn oder hunnertzwanzig Achse zu kloi gedreht hawe. Awer nicht seine Schuld, hot er gsagt, sondern der Deutsche, der hot's oigstellt..." Und warum er es erst,- das hat er dem Polizisten auf Polnisch gesagt, - bei der hundertzwanzigsten Achse gesehen hätte und nicht früher, das wüsste er nicht. Ich gehe von der Polizei heim, das war noch morgens. Die Häftlinge sind fort ins Geschäft, und die hatten ihn dabei morgens gebracht. Denn wie ich zum Putzen hinübergekommen bin, so um halb sieben, sieben, da war der schon da. Den haben sie kurz vorher gebracht.- Ich bin heim und später in die Bäckerei Zeitvogel und habe mir Brot geholt. Auf einmal kreischen die auf der Straße: "Do kimmt oner jetzert, der wird ufgehängt, der wird ufgehängt!" Die Kinder haben das schon gewusst, ich weiß nicht, wo die das hergehabt haben. "Ach Gott!" habe ich zu der Frau Zeitvogel gesagt, "des könne die doch net mache! Des geht doch net!" Ich bin dann heim, und später ist der Sonnenwirts Wilhelm gerannt gekommen und hat gerufen: "Die hawe en uffghängt, die hawe en uffghängt. Der hot ganz lang die Zung ausgstreckt! So!" Und hat es nachgemacht. Die Anneliese, das Mädel, ist dann bei uns in Ohnmacht gefallen, weil sie das gesehen hat.


Hans Wehe, Zwerchgasse

Hans Wehe, ins Hochdeutsche umgesetzt:

Und wie sie seinerzeit den Mann im Schulhof aufgehängt haben, ich habe das mitgekriegt. Es war da ein Haus im Scharhofer Weg im Rohbau, da waren wir gestanden im oberen Stock und haben rübergeguckt auf den Schulhof. Und einer von den Leuten, von den Polen -, der andere war auf einem Stuhl gestanden und die Schnur um den Ast herumgemacht, - der hat den Stuhl umtreten müssen, und da war er gehängt. Und ein Wachmann ist als zu uns gekommen, der war aus der Pfalz, der ist morgens danach da rübergekommen, sagt der: "Bei mir war heut Nacht was los. Isch laaf do rum, un uf ämol hör isch greine. Isch find kon, isch find kon, der des macht." Und da war noch ein Klo an die Schule angebaut hinten raus. Sagt der Wachmann: "No bin isch ämol do e bißsche näher ufs Klo zu un bin noi. Un do hockt äner im Klo un weint..." Dann hätte er den gefragt, und darauf sagt der: Seinem eigenen Freund hätte er den Stuhl wegtreten müssen. Der Mann sei ganz aufgelöst gewesen. Kann man sich ja vorstellen, das sind ja auch Menschen, der war ganz aus der Reihe.


Werner Nagel, Erinnerungen 1981

Werner Nagel:

Dass vor der Hinrichtung noch Prügelstrafen stattfanden, wird sonst von keinem Augenzeugen berichtet, vielleicht vermischen sich in der Erinnerung auch zwei verschiedene Ereignisse.

Im Hof waren ca. 250 bis 300 Häftlinge angetreten. Einige Gefangene traten nach Aufruf der Häftlingsnummer durch einen "Kapo" vor. Sie mussten sich der Reihe nach über einen Schultisch (Tisch und Bank waren kombiniert) legen. Dann wurden ihnen zwischen 10 und 20 Schläge aufs Gesäß verabreicht. Wer danach nicht mehr aufstehen konnte, wurde von anderen Gefangenen weggeschleppt. Die Schläger waren angeblich neu hinzugekommene junge Angehörige der SS, welche die Verlegung des Lagers vorbereiten sollten. Die Schulbank wurde danach unter einen Baum gerückt. Ein Häftling musste hinaufsteigen. Ihm wurde ein Strick um den Hals gelegt. Ein SS-Mann und ein "Kapo" nahmen in wenigen Metern Abstand Aufstellung. Einer sprach etwas, das ich nicht verstehen konnte. Die Vorgänge habe ich von der Ruine unseres zerstörten Hauses beobachten können, in der ich, Herr und Frau Wernz nach Einrichtungsresten suchten. Zu diesem Zeitpunkt versammelten sich auf der Ausgasse Sandhofer Bürger, schätzungsweise 50-60 Personen, darunter einiger in der SA-Uniform. Das gegenüberliegende Lokal "Adler" war Treffpunkt der SA. [...] Auf ein Kommando traten zwei SS-Männer vor und traten die Schulbank um. Die angetretenen Häftlinge nahmen die Mütze vom Kopf, drückten sie an die Brust und verharrten still. Die auf der Ausgasse versammelte Menschengruppe löste sich auf. Nach Eintritt des Todes wurde der Häftling von den Gefangenen wegtransportiert.


Willy Schenkel, Sandhofen

Willy Schenkel, Interview in Sandhofen 29.04.1981:

Ich war damals noch ein Kind gewesen, zwölf Jahre. Auf einmal hieß es: Dort drunten werden welche aufgehängt. Woher, weiß ich nicht mehr. Dann sind wir dort hinunter gerannt. Da waren so Bäume, Anfang 45 muss das gewesen sein. Sind wir hinunter gerannt und haben geguckt, ist der Wachposten gekommen und hat uns weggejagt. Da sind die Kerls aber schon, - das weiß ich heute auch nicht mehr, waren es Stühle oder Kisten, wo die draufgestanden haben, die zwei. Die Leute haben rumgestanden und gegafft. Die ganze Straße war vollgestanden, Erwachsene und Kinder [...] Ich habe im Ohr, dass die Leute gesagt haben: "Die müsse des selwer mache!"


Zygmund Przygoda, ehemaliger Gefangener in Sandhofen

Zygmund Przygoda, Nachfrage beim Besuch 28.09.1994:

Zu Marian Krainski. Hatten Sie denselben Meister?

Ja, denselben. Dieser Meister hatte zwei Söhne. Er hatte vorher nie zu uns gesagt: "Ihr Banditen!" Aber nach zwei Monate fielen diese Söhne. Nach dem Tod seiner Söhne im Krieg änderte er sich. Man konnte von der Zeit an nicht mehr mit ihm reden.

Dann glauben Sie, dass der Meister es war, der Verursacher?

Ja. (...) Krainski hatte eine Frau und zwei Kinder. Und er hat in der Wolska-Straße in der Franaszka-Fabrik gearbeitet. (...) Aber ich kannte ihn, denn er wohnte in meiner Nachbarschaft , also bevor wir ins Lager kamen. (...) Ich erinnere mich, dass ich ihn im Durchgangslager Pruszków gesehen habe, da hatte er keine Jacke, kein Hemd, er hatte den Oberkörper nackt. Warum, weiß ich nicht.


Stanislaw Zdzienicki, ehemaliger Gefangener in Sandhofen

Stanislaw Zdzienicki, Interview in Mannheim am 13.11.1990:

Welche Erinnerungen haben Sie an Marian Krainski?

Er war in der gleichen Stube wie ich, im Raum Nr 22 (in der Sandhofer Schule). Er war etwa 35 Jahre alt, hatte Kinder. Das weiß ich, weil er oft von diesen Kindern erzählt hat. Aber sonst weiß ich wenig von ihm. Ich weiß nur, dass er einmal mit einem SS-Mann von der Arbeit zurückgekommen ist, als wir zur Arbeit gingen, wurde er erhängt.